„Nicht nur mehr, sondern die richtigen Gäste“
Österreich-Werbung-Chefin Astrid Steharnig-Staudinger über wachsende Wertschöpfung, Strategien gegen Overtourism und Folgen des Klimawandels.
„Kärntner Wirtschaft“: In Mallorca demonstriert die Bevölkerung gegen Massentourismus, Venedig kassiert von Urlaubern Eintritt, Hallstatt leidet unter „Overtourism“. Verstehen Sie den Unmut?
Astrid Steharnig-Staudinger: Es geht nur miteinander. Die Bevölkerung muss bei wesentlichen Entscheidungen eingebunden werden und sie muss auch artikulieren dürfen, wenn sich etwas in eine falsche Richtung entwickelt.
Vielerorts ist der Tourismus aber auch wichtiger bis einziger Auslöser, damit sich wirtschaftlich etwas entwickelt. Wie ist dieser Spagat zu schaffen?
Es muss Verständnis hergestellt werden, dass der Tourismus in einigen Regionen der Wertschöpfungsbringer schlechthin ist. Die komplexen Zusammenhänge sind vielleicht nicht für jeden verständlich. Da sehe ich Aufholbedarf. Und für Phänomene wie Staus bei der Anreise oder Stoßzeiten mit sehr vielen Menschen an einem Ort gibt es Lösungen, an denen die Regionen mit allen Partnern arbeiten müssen.
Kann Digitalisierung helfen, „Overtourism“ in den Griff zu bekommen?
Die Nutzung von Daten kann durchaus zum Schlüssel werden und ist es in einigen Pilotprojekten bereits. Ein interessantes Beispiel ist das Projekt beim Schlegeis-Stausee im Zillertal. Dort konnte auf Grund der Datenlage die Taktung der Buslinie optimiert werden, um die Gefahr von Staus zu verringern.
Menschen verzichten eher auf andere Dinge.
Astrid Steharnig-Staudinger
Geschäftsführerin der Österreich WerbungSind Regionen offen dafür, Daten ihrer Gäste untereinander auszutauschen?
Die Offenheit von Regionen hängt von verschiedenen Faktoren ab: Ein wesentlicher Aspekt ist die Einhaltung europäischer Werte wie Datenschutz und Datensouveränität. Datenräume wie unser „Tourism Data Space“ sind ein effektives Mittel, um Datensouveränität zu gewährleisten. Sie bieten eine sichere, kontrollierte und transparente Umgebung für einen – nie personenbezogenen – Austausch von Daten. Teilnehmer können die Nutzung ihrer Daten zwischen verschiedenen Systemen steuern und ermöglichen die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
Wie passt das Streben nach immer mehr Gästeankünften und ‑übernachtungen mit Nachhaltigkeit zusammen?
Wir streben nicht nach mehr Gästen, sondern nach den richtigen. Wir sprechen sie in unseren insgesamt 27 Zielmärkten mit entsprechenden Themen an, etwa Kulinarik oder Kultur und fördern damit Qualitätstourismus und eben nicht Massentourismus. Es geht um die Wertschöpfungssteigerung, die im besten Fall mit weniger Menschen generiert wird. Wir wollen jedenfalls eine der nachhaltigsten Tourismusdestinationen der Welt bleiben.
Läuft Österreich Gefahr, als Tourismusdestination zu teuer zu werden?
Nicht nur unsere Landschaft ist vielfältig, auch die Angebote der Betriebe sind es. Grundsätzlich ist unser Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu Konkurrenzländern sehr gut und es gibt in Österreich Angebote für jede Geldbörse, sei es bei den Unterkünften oder bei den Freizeitaktivitäten.
Dennoch ist Österreich keine „Billigdestination“. Parallel schwächelt Deutschland als wichtigster Auslandsmarkt derzeit wirtschaftlich. Befürchten Sie Auswirkungen?
Unsere aktuelle Sommerpotenzialstudie prognostiziert, dass wir aus Deutschland eine solide – und im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht steigende – Nachfrage erwarten können. Daneben ist Reisen eines der wichtigsten Konsumgüter. Menschen verzichten eher auf andere Dinge. Das bedeutet für uns, dass wir eben ein passendes Angebot für jede Art von Nachfrage bieten müssen.
- Astrid Steharnig-Staudinger ist seit Mai 2023 Geschäftsführerin der Österreich Werbung.
- Die gebürtige Kärntnerin war an der Tourismusschule in Villach.
- Sie hat Internationale Betriebswirtschaft an der FH Eisenstadt studiert und war Marktexpertin für Zentral-/Südosteuropa und Skandinavien bei Wien Tourismus und Salesmanagerin bei Falkensteiner Hotels in Kroatien.
- 2007 gründete sie die Unternehmensberatung „Tourism4you mit Schwerpunkt Kooperationsentwicklung“.