„Der Kuchen wird für alle kleiner“, davon ist Christian Kesberg überzeugt.
„Der Kuchen wird für alle kleiner“, davon ist Christian Kesberg überzeugt. © KK
Christian Kesberg

„Euro­pa muss in Zukunft eine neue Rol­le fin­den“

Christian Kesberg ist überzeugt: „Das alles wieder so werden könnte wie früher, ist ein hohles Versprechen.“

13.05.2025 14:23 - Update am: 18.06.2025 07:38 von Claudia Blasi
Lesezeit 5 Minuten

Wel­che geo­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen auf die hei­mi­sche Wirt­schaft war­ten, skiz­ziert Geo­po­li­tik-Exper­te Chris­ti­an Kes­berg.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Donald Trump ist seit 100 Tagen im Amt und hol­te bereits zu einem Rund­um­schlag aus. War die­se Ent­wick­lung abseh­bar?

Chris­ti­an Kes­berg: Abge­se­hen vom impe­ria­len Griff nach Kana­da oder Grön­land hat Trump nichts getan, was er nicht ange­kün­digt hat. Weil aber euro­päi­sche Vor­stel­lungs­kraft vom Ver­hält­nis zu den USA seit lan­gem von Wunsch­den­ken und Tritt­brett­fah­rer­men­ta­li­tät bestimmt wird, hat uns Geschwin­dig­keit und Radi­ka­li­tät des Umbruchs beim Sit­zen auf den eige­nen Hän­den über­rascht.

Wie kön­nen wir die­se Situa­ti­on geo­po­li­tisch ein­ord­nen?

Seit eini­gen Jah­ren manö­vriert die Welt in eine Art geo­po­li­ti­sche Rezes­si­on. Nie­mand führt oder gestal­tet. Die USA haben sich als glo­ba­le Ord­nungs­macht ver­ab­schie­det, Chi­na ist wirt­schaft­lich ange­schla­gen, Russ­land ein Schur­ken­staat, Euro­pa schwach und unei­nig. Auto­ri­tä­re Regime erstar­ken und macht­lee­re Räu­me sind Nähr­bo­den für neue Risi­ken, Kon­flik­te und Krie­ge.

Gibt es eine Mög­lich­keit wie­der Brü­cken zwi­schen den USA und der EU zu schla­gen?

Dass alles irgend­wann wie­der so wer­den könn­te wie frü­her, ist ein hoh­les Ver­spre­chen der diver­sen Natio­nal­po­pu­lis­ten. Die auf Ver­un­si­che­rung und Ängs­te der Men­schen set­zen. Euro­pa muss in der zukünf­tig auf Macht und nicht mehr auf Regeln basier­ten neu­en impe­ria­len Welt­ord­nung neben den USA, Chi­na, Russ­land und ver­mut­lich Indi­en eine neue Rol­le als hand­lungs­fä­hi­ger Akteur fin­den, um nicht geo­po­li­tisch end­gül­tig irrele­vant zu wer­den. Das erfor­dert einen Umbau der EU hin zu einer hier­ar­chi­schen Neu­ge­stal­tung euro­päi­scher Außen‑, Sicher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik mit einer gemein­sa­men nuklea­ren Abschre­ckungskomponente und mili­tä­ri­scher Füh­rung ohne Ein­stim­mig­keit.

Das alles wie­der so wer­den könn­te wie frü­her, ist ein hoh­les Ver­spre­chen.Zitat Ende

Chris­ti­an Kes­berg

Geo­po­li­tik-Exper­te

Wie wirkt sich das Span­nungs­feld USA-Chi­na auf Euro­pa, letz­lich auf Öster­reich, aus?

Wäh­rend Trumps Wirtschafts­politik die Leis­tungs­fä­hig­keit der bis­her dyna­mischs­ten Volks­wirt­schaft der Welt lang­fris­tig unter­spült, set­zen die Chi­ne­sen bis­her statt auf schmerz­haf­te Refor­men zur Ankur­be­lung des pri­va­ten Kon­sums auf den Export von Über­ka­pa­zi­tä­ten. Der Rest der Welt steht damit vor einer Flut sub­ven­tio­nier­ter chi­ne­si­scher Waren gepaart mit der Beschä­di­gung der eige­nen Expor­te durch die US-Zoll­po­li­tik. Der gleich­zei­ti­ge „Export“ von Stör­fak­to­ren durch die USA und Chi­na beschleu­nigt geo­öko­no­mi­sche Frag­men­tie­rung, wird glo­ba­les Wachs­tum dämp­fen und beschert damit vie­len Regie­run­gen ein schmerz­haf­tes Ren­dez­vous mit der Wirk­lich­keit. Der Kuchen wird für alle klei­ner und muss nach neu­en Prio­ri­tä­ten ver­teilt wer­den.

Trump drängt auf eine Lösung im Ukrai­ne­krieg. Was heißt das für die öster­rei­chi­sche Wirt­schaft?

Auch wenn die USA die Ukrai­ne unter den Bus wer­fen und damit ein seich­ter Waf­fen­still­stand her­bei­ge­führt wird, führt das nur zu einer opti­schen Kor­rek­tur des geo­po­li­ti­schen Lage­bil­des. Ohne ech­ten Frie­dens­ver­trag mit robus­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Sicher­heits­ga­ran­tien, zu denen die Euro­pä­er nicht in der Lage sind, beginnt am Tag Eins nach dem Waf­fen­still­stand mit hoher Wahr­schein­lich­keit die Auf­rüs­tung für die zwei­te Fol­ge der Aus­ein­an­der­set­zung. Russ­land bleibt ein Schur­ken­staat, der als „gera­de noch“ Welt­macht nur in einer Welt der Krie­ge und Kon­flik­te rele­vant bleibt und vor allem dar­auf set­zen muss, die EU als hand­lungs­mäch­ti­gen Akteur auf der Welt­büh­ne zu ver­hin­dern. Zusätz­li­che neue Chan­cen für hei­mi­sche Betrie­be in die­ser Regi­on wer­den sich unter die­sen Rah­men­be­din­gun­gen in Gren­zen hal­ten.

Wie steht es um die Sta­bi­li­tät inter­na­tio­na­ler Märk­te?

Wir bewe­gen uns von einer glo­bal inte­grier­ten Welt­wirt­schaft in Rich­tung stark öko­no­misch inte­grier­ter Groß­räu­me mit schwa­chen Aus­tausch­be­zie­hun­gen. Fir­men müs­sen sich auf poli­ti­sche Insta­bi­li­tät, Pola­ri­sie­rung und sozia­le Kon­flik­te in Heim‑, Export- und Beschaf­fungs­märk­ten vor­be­rei­ten und vor allem ler­nen damit umzu­ge­hen, dass Natio­nal­staa­ten dar­auf set­zen, durch han­dels- und indus­trie­po­li­ti­sche Maß­nah­men Abhän­gig­kei­ten abzu­schich­ten.

Zur Per­son
  • Chris­ti­an Kes­berg (66) war­jah­re­lan­ger Außen­wirt­schafts­de­le­gier­ter der Wirt­schafts­kam­mer Öster­reich zuletzt in Lon­don und New York.
  • Seit 2023 arbei­tet er als Vor­tra­gen­der, Autor, Pod­cas­ter und Bera­ter zu Geo­po­li­tik und geo­po­li­ti­schem Risi­ko­ma­nage­ment.
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