Sepp Hochreiter: „KI wird sich weiter ausbreiten und dabei immer weniger sichtbar.“
Sepp Hochreiter: „KI wird sich weiter ausbreiten und dabei immer weniger sichtbar.“ © KK/JKU
Sepp Hochreiter

„Wo mensch­li­che Kapa­zi­tät endet, fängt KI an“

Sepp Hochreiter ist ein Pionier in der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI).

09.09.2025 07:26 - Update am: 11.09.2025 10:27 von Claudia Blasi
Lesezeit 6 Minuten

Der hei­mi­schen Wirt­schaft feh­le die Neu­gier an neu­en Tech­no­lo­gien, ist KI-Pio­nier Sepp Hoch­rei­ter über­zeugt.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Sie sind in der inter­na­tio­na­len KI-For­schung tätig. Wo ste­hen wir aktu­ell?

Sepp Hoch­rei­ter: Wir kön­nen die Ent­wick­lung der KI in drei Pha­sen ein­tei­len: Am Anfang stand die Grund­la­gen­for­schung, zu der ich viel bei­getra­gen habe. Dann folg­te das Hoch­ska­lie­ren, das Gewin­nen von Daten und Anwen­dun­gen wie ChatGPT. Was jetzt kommt ist die Indus­tria­li­sie­rung mit der Fra­ge: Wie brin­gen wir die KI in die Fir­men, in die Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se und Maschi­nen? Hier wird es For­schung brau­chen, vie­le Anwen­dun­gen müs­sen adap­tiert wer­den. Eine gro­ße Chan­ce für Euro­pa, um auf­zu­ho­len.

Wel­che Posi­ti­on belegt Öster­reich im inter­na­tio­na­len Ver­gleich?

Beim Hoch­ska­lie­ren, Gewin­nen von Daten und bei den Rech­ner­re­sour­cen haben wir den Anschluss ver­lo­ren. Das wird sich aber mit der Indus­tria­li­sie­rung ändern. Das Pro­blem inner­halb der Euro­päi­schen Uni­on ist viel­mehr das Umset­zen neu­er Tech­no­lo­gien. In Ame­ri­ka und Chi­na sind die Fir­men viel offe­ner und pro­bie­ren Neu­es aus. Euro­pa ist hier viel zurück­hal­ten­der. Es bräuch­te mehr Start-ups, die sich mit KI beschäf­ti­gen und die­se in die Fir­men brin­gen.

Wo sehen Sie das größ­te Poten­zi­al im Mit­tel­stand?

Das kommt auf die Bran­che an, aber grund­sätz­lich bie­ten Zeit­rei­hen­mo­del­le, die Vor­her­sa­gen tref­fen kön­nen, gro­ßes Poten­zi­al. Sie war­nen etwa, wenn der Boh­rer zu heiß wird und die Dreh­zahl ver­rin­gert wer­den muss. Die­se Anwen­dung funk­tio­niert von der Logis­tik, über Akti­en­kur­se bis hin zu Ener­gie­da­ten. Wird es kom­ple­xer, sind Model­lie­rung und Simu­la­ti­on gefragt, die dabei unter­stüt­zen, Sys­te­me zu ver­ste­hen und intel­li­gen­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen.

Sepp-Hochreiter-KI-Experte-Kaerntner-Wirtschaft-Interview © KK/NXA

KI kann uns bei der Kli­ma­kri­se hel­fen, aber nicht das Kin­der­zim­mer auf­räu­men.Zitat Ende

Sepp Hoch­rei­ter

KI-Pio­nier

Vie­le Betrie­be betrach­ten KI als einen vor­über­ge­hen­den Trend. Ihr Rat?

Das wich­tigs­te ist, sich zu infor­mie­ren, sich mit neu­er Tech­no­lo­gie zu beschäf­ti­gen: Was kann KI? Wie und wo kann ich sie ein­set­zen? Was brau­che ich dazu? Oft gehen wert­vol­le Daten ver­lo­ren oder blei­ben unge­nutzt. Es macht Sinn, eine zustän­di­ge Per­son im Betrieb zu haben, die auch an die Uni­ver­si­tä­ten geht, sich über den For­schungs­stand erkun­digt und Chan­cen für das eige­ne Unter­neh­men aus­lo­tet. Im Cyber Val­ley Tübin­gen ste­hen sol­che Koope­ra­tio­nen an der Tages­ord­nung.

Wer­den Mit­ar­bei­ter durch neue Tech­no­lo­gien ersetzt?

Jobs fal­len nicht weg, sie ver­än­dern sich und es ent­ste­hen neue. KI ist ein zusätz­li­ches Werk­zeug, mit dem sich die Pro­duk­ti­vi­tät stei­gern lässt. Sei es beim Pro­gram­mie­ren oder Erstel­len von Tex­ten, Bil­dern und Vide­os. Für Mit­ar­bei­ter wird KI-Kom­pe­tenz daher immer wich­ti­ger. Es geht dar­um, die­se Schwel­le zu über­schrei­ten, dann wird die Anwen­dung zur Gewohn­heit.

Wird KI auch in die phy­si­sche Welt Ein­zug hal­ten?

ie kann unse­ren All­tag erleich­tern – selbst­fah­ren­de Autos, Rasen­ro­bo­ter oder Staub­sauger – davon wer­den wir noch viel mehr sehen. Eine Ver­schmel­zung von Mensch und KI oder Robo­ter und KI im Sin­ne mecha­ni­scher Skla­ven hal­te ich aber für eine Ent­wick­lung in eine völ­lig fal­sche Rich­tung. Bei vie­len Din­gen, die wir nicht ver­ste­hen kön­nen, kann uns KI hel­fen, aber nicht beim Auf­räu­men des Kin­der­zim­mers oder Zusam­men­le­gen der Wäsche.

Gibt es Ent­wick­lun­gen, die Ihnen Sor­gen berei­ten?

Ja, wenn es dar­um geht, wie KI ein­ge­setzt wer­den soll. Mit einem Mes­ser kann man einen Kuchen tei­len oder jeman­den ver­let­zen, die Ver­ant­wor­tung trägt der Mensch. KI trägt auch dazu bei, dass wir noch stär­ker in Bla­sen leben, nur mehr Nach­rich­ten kon­su­mie­ren, die uns gefal­len. Damit kann sie uns stark beein­flus­sen. Bei Wah­len konn­te man das bereits beob­ach­ten, wenn Chat­bots Paro­len ver­brei­ten, die so nicht stimm­ten. Da müs­sen wir wach­sam sein.

In wel­chen Berei­chen gibt es beson­de­re Fort­schrit­te?

Über­all dort, wo der Mensch an die Gren­zen sei­ner Kapa­zi­tä­ten stößt, fängt KI an. Kli­ma, Indus­trie, Gesund­heit, Ener­gie, Ver­kehr, Lebens­mit­tel und Land­wirt­schaft – wo wir es mit beson­ders kom­ple­xen Sys­te­men zu tun haben, eig­net sich KI beson­ders gut. Sie kann Zusam­men­hän­ge und Struk­tu­ren erken­nen und das viel schnel­ler und umfas­sen­der, als es Men­schen mög­lich wäre – das soll­ten wir für uns nut­zen.

Zur Per­son
  • Sepp Hoch­rei­ter (58) ist gebür­ti­ger Bay­er und Pro­fes­sor an der Johan­nes Kep­ler Uni­ver­si­tät Linz.
  • Sein aktu­el­les Buch beschäf­tigt sich mit der Fra­ge: Was kann Künst­li­che Intel­li­genz?
  • Sei­ne KI-Fir­ma NXAI ent­wi­ckel­te das Zeit­rei­hen­mo­dell TiRex, das jenen von Goog­le oder Ali­baba über­le­gen sei.
  • Dem­nächst kom­me ein Sprach­mo­dell wie ChatGPT auf den Markt – gleich gut, aber energie­effizienter.
  • Zum Wiki­pe­dia-Arti­kel über Sepp Hoch­rei­ter. 
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