Max Thinius: „Wenn wir alles so machen wie bisher, wird alles so bleiben, wie bisher.“
Max Thinius: „Wenn wir alles so machen wie bisher, wird alles so bleiben, wie bisher.“ © Max Thinius
Max Thinius

„Kärn­ten hat alles, was es in Zukunft braucht“

Futurologe Max Thinius weiß, worauf es in Zukunft ankommen wird. Im Interview erklärt er, wie Kärnten dafür gerüstet ist.

17.12.2024 13:08 - Update am: 19.12.2024 08:50 von Claudia Blasi
Lesezeit 5 Minuten

Anders leben, arbei­ten und wirt­schaf­ten – Futu­ro­lo­ge Max Thi­ni­us weiß, wor­auf es in Zukunft ankom­men wird und wie unser Bun­des­land dafür auf­ge­stellt ist.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Ihr Leit­satz lau­tet: Die Zukunft kommt nicht, wir gestal­ten sie. Für vie­le fühlt es sich aber eher so an, als wür­den wir von ihr über­rollt. War­um ist das so?

Max Thi­ni­us: Das ist ein gro­ßes Miss­ver­ständ­nis. Tat­säch­lich haben wir 73 Pro­zent unse­rer Zukunft selbst in der Hand, der Rest ist Bio­lo­gie und Phy­sik. Das Gefühl des Übe­r­ollt­wer­dens haben wir, weil wir ver­su­chen, alles was mit dem Zeit­al­ter der Digi­ta­li­tät neu ent­steht, an alte Struk­tu­ren anzu­pas­sen. Das kann nicht funk­tio­nie­ren. Frü­her brauch­te es gro­ße Struk­tu­ren, weni­ger Tech­nol­gie, heu­te ist es genau umge­kehrt. Klei­ne, regio­na­le, aut­ar­ke Struk­tu­ren, die sich bei Bedarf mit­ein­an­der ver­net­zen, sind jetzt gefragt

Wel­che Bedeu­tung hat die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on für den Wirt­schafts­stand­ort Kärn­ten?

Genau Kärn­ten kann von die­ser Ent­wick­lung pro­fi­tie­ren. Die Glie­de­rung in vie­le Klein- und Mit­tel­stands­be­trie­be hat Vor­tei­le. In Deutsch­land haben es die Tisch­ler vor­ge­macht und ein Netz­werk gegrün­det mit etwa 700 Betrie­ben. Sie alle haben digi­tal steu­er­ba­re Maschi­nen und kön­nen daher die glei­che Qua­li­tät lie­fern. So sind sie in der Lage, gemein­sam im Netz­werk Groß­auf­trä­ge abzu­ar­bei­ten. Die Pro­duk­ti­on bleibt im Land, es kön­nen hei­mi­sche Roh­stof­fe ver­wen­det wer­den, Arbeits­plät­ze wer­den geschaf­fen und in vie­len Fäl­len sind die Kos­ten güns­ti­ger, als eine Pro­duk­ti­on in Asi­en mit Lie­fe­rung kos­ten wür­de.

Max-Thinius-Futurologe-Kaerntnerwirtschaft-Interview © Max Thi­ni­us

Oft braucht es einen Schritt zurück und den Mut, Din­ge neu zu den­ken.Zitat Ende

Max Thi­ni­us

Futu­ro­lo­ge

Bei uns gibt es die Slow-Food-Initia­ti­ve. Sie spre­chen von einer Slow-Future-Bewe­gung. Wor­um geht es dabei?

Der Grund­ge­dan­ke ist sehr ähn­lich, denn es geht auch um Wer­te. Sie sind bestän­di­ger als Tech­no­lo­gien oder Trends, daher soll­ten wir zuerst schau­en, wel­che Wer­te uns wich­tig sind, und danach die Tech­no­lo­gien aus­wäh­len. Es gibt der­zeit etwa 185.000 KI-Anwen­dun­gen für den Mit­tel­stand. Die Fra­ge ist aber, braucht mein Unter­neh­men das über­haupt und wenn ja, wel­che sind für mich rele­vant? KI kann eine gro­ße Hil­fe sein und Büro­kra­tie abbau­en, wir brau­chen aber den Mut, selbst zu den­ken und bewusst aus­zu­wäh­len.

Wel­che Rol­le wird die Kor­almbahn für die Zukunft unse­rer Regi­on spie­len?

Sie wird einen posi­ti­ven Ein­fluss haben. Kärn­ten hat eine hohe Arbeits- und Lebens­qua­li­tät und die Men­schen legen immer mehr Wert dar­auf, wo sie arbei­ten, wel­che Form der Bewe­gung und Ernäh­rung mög­lich ist. Auch für die Ansie­de­lung von Betrie­ben gibt es krea­ti­ve Mög­lich­kei­ten. Sechs gro­ße Unter­neh­men aus dem Raum Mün­chen hat­ten Pro­ble­me Mit­ar­bei­ter zu fin­den. In einem wirk­lich abge­le­gen Ort namens Rends­burg (D) haben sie dann gemein­sam ein gro­ßes leer­ste­hen­des Gebäu­de belebt und sich auf Mit­ar­bei­ter­su­che bege­ben. In vier Wochen hat­ten sie 600 Bewer­bun­gen. Wenn man ein attrak­ti­ves Ange­bot schafft, wer­den die Men­schen es auch nut­zen.

In Kärn­ten wird im Jän­ner über ein Ver­bot für Wind­rä­der abge­stimmt. Wie könn­te die Ener­gie­wen­de gelin­gen?

Lang­fris­tig wird die nach­hal­ti­ge Ener­gie güns­ti­ger als fos­si­le, ato­ma­re Ener­gie. Die Ver­tei­lung muss auch hier neu gedacht wer­den: Kein gro­ßes zen­tra­les Ener­gie­netz­werk, son­dern vie­le klei­ne, die sich zusam­men­schlie­ßen. Es wird aber einen Ener­gie­mix brau­chen. Und es war­ten neue Tech­no­lo­gien auf uns, etwa gan­ze Außen­fas­sa­den, die auf Solar­ener­gie aus­ge­rich­tet sind.

In wel­chen Lebens­be­rei­chen wer­den in Zukunft die stärks­ten Ver­än­de­run­gen spür­bar?

In der Art und Wei­se wie wir arbei­ten – hier wer­den alte Struk­tu­ren noch wei­ter auf­ge­bro­chen – und woh­nen – hier setzt sich der Trend zum Leben außer­halb gro­ßer Metro­po­len fort. Von bei­den Strö­mun­gen kann Kärn­ten pro­fi­tie­ren, da klei­ne­re Städ­te viel schnel­ler und fle­xi­bler auf Ver­än­de­run­gen reagie­ren kön­nen. Damit das funk­tio­niert, muss Wirt­schaft und Poli­tik einen neu­en Weg der Zusam­men­ar­beit fin­den und darf dabei auch KI sinn­voll ein­set­zen.

Zur Per­son
  • Max Thi­ni­us lebt in Ber­lin und Däne­mark und ist Euro­pas füh­ren­der Futu­ro­lo­ge und Zukunfts­ge­stal­ter.
  • Er unter­stützt Men­schen, Unter­neh­men und Regio­nen ihre neu­en Mög­lich­kei­ten der Zukunft zu erken­nen und sie zu gestal­ten.
  • Thi­ni­us publi­ziert in öffent­li­chen Medi­en, ist Best­sel­ler-Autor und hat das Futur­neo Insti­tut für Zukunfts­ge­stal­tung mit­ge­grün­det.
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