„Kärnten hat alles, was es in Zukunft braucht“
Futurologe Max Thinius weiß, worauf es in Zukunft ankommen wird. Im Interview erklärt er, wie Kärnten dafür gerüstet ist.
Anders leben, arbeiten und wirtschaften – Futurologe Max Thinius weiß, worauf es in Zukunft ankommen wird und wie unser Bundesland dafür aufgestellt ist.
„Kärntner Wirtschaft“: Ihr Leitsatz lautet: Die Zukunft kommt nicht, wir gestalten sie. Für viele fühlt es sich aber eher so an, als würden wir von ihr überrollt. Warum ist das so?
Max Thinius: Das ist ein großes Missverständnis. Tatsächlich haben wir 73 Prozent unserer Zukunft selbst in der Hand, der Rest ist Biologie und Physik. Das Gefühl des Überolltwerdens haben wir, weil wir versuchen, alles was mit dem Zeitalter der Digitalität neu entsteht, an alte Strukturen anzupassen. Das kann nicht funktionieren. Früher brauchte es große Strukturen, weniger Technolgie, heute ist es genau umgekehrt. Kleine, regionale, autarke Strukturen, die sich bei Bedarf miteinander vernetzen, sind jetzt gefragt
Welche Bedeutung hat die digitale Transformation für den Wirtschaftsstandort Kärnten?
Genau Kärnten kann von dieser Entwicklung profitieren. Die Gliederung in viele Klein- und Mittelstandsbetriebe hat Vorteile. In Deutschland haben es die Tischler vorgemacht und ein Netzwerk gegründet mit etwa 700 Betrieben. Sie alle haben digital steuerbare Maschinen und können daher die gleiche Qualität liefern. So sind sie in der Lage, gemeinsam im Netzwerk Großaufträge abzuarbeiten. Die Produktion bleibt im Land, es können heimische Rohstoffe verwendet werden, Arbeitsplätze werden geschaffen und in vielen Fällen sind die Kosten günstiger, als eine Produktion in Asien mit Lieferung kosten würde.
Oft braucht es einen Schritt zurück und den Mut, Dinge neu zu denken.
Max Thinius
FuturologeBei uns gibt es die Slow-Food-Initiative. Sie sprechen von einer Slow-Future-Bewegung. Worum geht es dabei?
Der Grundgedanke ist sehr ähnlich, denn es geht auch um Werte. Sie sind beständiger als Technologien oder Trends, daher sollten wir zuerst schauen, welche Werte uns wichtig sind, und danach die Technologien auswählen. Es gibt derzeit etwa 185.000 KI-Anwendungen für den Mittelstand. Die Frage ist aber, braucht mein Unternehmen das überhaupt und wenn ja, welche sind für mich relevant? KI kann eine große Hilfe sein und Bürokratie abbauen, wir brauchen aber den Mut, selbst zu denken und bewusst auszuwählen.
Welche Rolle wird die Koralmbahn für die Zukunft unserer Region spielen?
Sie wird einen positiven Einfluss haben. Kärnten hat eine hohe Arbeits- und Lebensqualität und die Menschen legen immer mehr Wert darauf, wo sie arbeiten, welche Form der Bewegung und Ernährung möglich ist. Auch für die Ansiedelung von Betrieben gibt es kreative Möglichkeiten. Sechs große Unternehmen aus dem Raum München hatten Probleme Mitarbeiter zu finden. In einem wirklich abgelegen Ort namens Rendsburg (D) haben sie dann gemeinsam ein großes leerstehendes Gebäude belebt und sich auf Mitarbeitersuche begeben. In vier Wochen hatten sie 600 Bewerbungen. Wenn man ein attraktives Angebot schafft, werden die Menschen es auch nutzen.
In Kärnten wird im Jänner über ein Verbot für Windräder abgestimmt. Wie könnte die Energiewende gelingen?
Langfristig wird die nachhaltige Energie günstiger als fossile, atomare Energie. Die Verteilung muss auch hier neu gedacht werden: Kein großes zentrales Energienetzwerk, sondern viele kleine, die sich zusammenschließen. Es wird aber einen Energiemix brauchen. Und es warten neue Technologien auf uns, etwa ganze Außenfassaden, die auf Solarenergie ausgerichtet sind.
In welchen Lebensbereichen werden in Zukunft die stärksten Veränderungen spürbar?
In der Art und Weise wie wir arbeiten – hier werden alte Strukturen noch weiter aufgebrochen – und wohnen – hier setzt sich der Trend zum Leben außerhalb großer Metropolen fort. Von beiden Strömungen kann Kärnten profitieren, da kleinere Städte viel schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren können. Damit das funktioniert, muss Wirtschaft und Politik einen neuen Weg der Zusammenarbeit finden und darf dabei auch KI sinnvoll einsetzen.
- Max Thinius lebt in Berlin und Dänemark und ist Europas führender Futurologe und Zukunftsgestalter.
- Er unterstützt Menschen, Unternehmen und Regionen ihre neuen Möglichkeiten der Zukunft zu erkennen und sie zu gestalten.
- Thinius publiziert in öffentlichen Medien, ist Bestseller-Autor und hat das Futurneo Institut für Zukunftsgestaltung mitgegründet.
Max Thinius spricht im Südpol Podcast über die Zukunft.