
„Erholung muss
bewusst geplant werden“
Buchautor und Gesundheitspsychologe Gerhard Blasche gibt Tipps zum Energie tanken.
Ständig erreichbar, überlastet im Homeoffice und müde von der Unplanbarkeit: Buchautor und Gesundheitspsychologe Gerhard Blasche erklärt, warum Erholung wichtiger denn je ist.
„Kärntner Wirtschaft“: Wie kann weniger Stress im unternehmerischen Alltag gelingen?
Gerhard Blasche: Definieren Sie freie Zeiten. Ab welchem Zeitpunkt ist Feierabend und wird nicht mehr an den Betrieb gedacht und werden keine E‑Mails mehr gecheckt? Außerdem ist es wichtig, sich trotz allem freie Tage, zum Beispiel ein verlängertes Wochenende, zu schaffen, um eine mentale Distanzierung zu schaffen und gedanklich zur Ruhe zu kommen, damit der Erholungsprozess beginnen kann.
Was fördert die Erholung?
Eine Strukturierung – konkret zu sagen, jetzt habe ich Freizeit und wähle bewusst Aktivitäten, die mir Freude machen, die jedoch nichts mit der Arbeit zu tun haben. Was das ist, hängt von den individuellen Bedürfnissen ab. Ein Aufenthalt oder körperliche Aktivität in der Natur fördern die Erholung, helfen abzuschalten und vermitteln das Gefühl, etwas getan zu haben. Aber auch kreative Tätigkeiten wie musizieren oder in der Werkstatt etwas tun, oder soziale Aktivitäten dienen der Erholung.
In der klassischen Mittagspause kann die Ermüdung des Vormittags abgebaut werden.
Gerhard Blasche
Buchautor und GesundheitspsychologeWie geht man dabei mit dem schlechten Gewissen und langen To-Do-Listen um?
Das ist eine Herausforderung. Aber gerade als Selbstständiger muss man sich bewusst machen, eines der wertvollsten Betriebsmittel ist die eigene Gesundheit. Ist die Erholung unzureichend, dann ist mittelfristig auch die eigene Gesundheit gefährdet. Wer sich das bewusst macht, nimmt sich leichter Zeit für die Erholung. Selbstständigen fällt immer etwas ein, was sie noch machen könnten. Die To-Do-Liste kommt grundsätzlich zu keinem Ende. Daher braucht es die bewusste Planung der Erholung.
Welche Rolle spielen kleine Unterbrechungen im Alltag?
Streng genommen sind die kleinen Pausen im Alltag das Wichtigste. Weil dadurch die Ermüdung frühzeitig abgebaut werden kann, sie häuft sich nicht an. Ich bin daher ein großer Freund der Mittagspause – sogar von einem Mittagsschlaf. Dadurch kann man die Ermüdung des Vormittags wieder ein Stück abbauen und ist am Nachmittag leistungsfähiger.
Auf welche Alarmzeichen sollten vor allem Selbstständige ganz besonders achten?
Ein Alarmzeichen ist es, wenn ich am Ende eines Arbeitstages so müde bin, dass ich meine Freizeit nicht mehr genießen kann. Auch wenn ich chronisch das Gefühl habe, mein Wochenende ist zu kurz und ich bin eigentlich am Sonntag überhaupt noch nicht erholt, sollte das ernst genommen werden. Wenn der Schlaf zu leiden beginnt, ist das ein Hinweis auf einen sehr hohen Stresspegel.
Aber als Unternehmer hat man auch eine Vorbildfunktion …
Es ist nicht notwendig, als Chef als Erster im Büro zu sein und als Letzter zu gehen. Gerade als Führungskraft sollte man signalisieren, dass gute Arbeit auch seine Grenzen hat und mit Erholung verbunden werden muss. Das gilt es, den Mitarbeitern zu vermitteln. Schließlich will jeder Arbeitgeber leistungsfähige Mitarbeiter haben, die langfristig bleiben.
- Gerhard Blasche, geboren 1963, ist Gesundheitspsychologe, klinischer Psychologe und Psychotherapeut sowie Dozent am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien.
- In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Ermüdung und Erholung von der Arbeit.
- Blasche hat bereits über 90 fachliche Publikationen verfasst.
- In seiner Freizeit geht der Wiener gerne sporteln – wandern, Radfahren, Skitouren – und arbeitet im Garten.