Philosoph Wilhelm Schmid weiß: „Wenn für das Lebensnotwendige gesorgt ist, kommt das Glück ins Spiel.“
Philosoph Wilhelm Schmid weiß: „Wenn für das Lebensnotwendige gesorgt ist, kommt das Glück ins Spiel.“ © Paul Zinken/dpa/picturedesk.com
Wilhelm Schmid

„Dem Glück wird kei­ne Pau­se mehr gegönnt“

Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid hat sich mit dem Thema Glück intensiv auseinandergesetzt.

13.12.2024 12:53 von Ines Tebenszky
Lesezeit 5 Minuten

Wenn ein neu­es Jahr beginnt, wün­schen sich die Men­schen neben Gesund­heit vor allem eines: Glück. Der Ber­li­ner Phi­lo­soph Wil­helm Schmid erklärt, war­um das Glück Pau­sen macht und Unglück sich nicht ver­mei­den lässt.

Rund um den Jah­res­wech­sel wünscht man ein­an­der neben Gesund­heit vor allem auch Glück fürs neue Jahr. Was meint man denn damit?

Wil­helm Schmid: Dass alles gut geht. Dass alles auch ganz anders kom­men kann, wis­sen wir natür­lich. Theo­re­tisch. Prak­tisch soll eben alles gut gehen. Pro­ble­me sol­len sich auf­lö­sen, Chan­cen sol­len sich auf­tun, die Freu­de am Leben soll erhal­ten blei­ben oder, wenn sie ver­schwun­den ist, wie­der­keh­ren. Und wenn Zufäl­le auf unser Leben Ein­fluss neh­men, sol­len es aus­schließ­lich die glück­li­chen sein.

Der Wunsch nach Glück war nicht immer da. Was hat sich ver­än­dert, dass wir uns das Glück so häu­fig wün­schen?

Wenn für das Lebens­not­wen­di­ge gesorgt ist, kommt das Glück ins Spiel, damit das Leben irgend­wel­chen Sinn hat. Mei­ne Eltern rede­ten nie vom Glück. Sie waren immer froh, wenn sie die Fami­lie mit sechs Kin­dern und einem Stall vol­ler Kühe halb­wegs gut über die Run­den gebracht haben. Dafür erba­ten sie Got­tes Bei­stand und die Reli­gi­on bot ihnen einen voll­kom­men erfül­len­den Lebens­sinn. Ich habe mich immer schon gewun­dert, war­um Men­schen seit etwa dem Jahr 2000 (in Deutsch­land) so viel vom Glück erwar­ten. Sinn ist viel wich­ti­ger.

Wie kann man denn Glück als sol­ches defi­nie­ren?

End­gül­ti­ge Defi­ni­tio­nen gibt es wie üblich nicht. Aber vie­le Men­schen ver­ste­hen heu­te unter dem Glück aus­schließ­lich das Wohl­fühl­glück. Dass immer ­alles gut geht, alles gelin­gen möge, der Erfolg nicht mehr auf­hört, das Leben Spaß macht alle Tage – hof­fent­lich auch Näch­te. Dem Glück wird kei­ne Pau­se mehr gegönnt. Da spielt das Glück aber nicht mit, es nimmt sich ein­fach sei­ne Pau­sen, und dann sind die Men­schen ent­täuscht und kau­fen sich den nächs­ten Glücks­rat­ge­ber, der ein pau­sen­lo­ses Glück ver­spricht.

Wo Licht ist, ist auch Schat­ten. Umge­legt aufs Glück heißt das: Wo es Glück gibt, muss es auch Unglück geben?

Lei­der ist das so. Nie­mand wünscht sich das, auch ich nicht, aber es ist nicht zu umge­hen. Es ist bes­ser, wenn wir wenigs­tens gedank­lich dar­auf vor­be­rei­tet sind, dass das Leben nicht immer nur vol­ler Glück sein kann, sonst fal­len wir ins Boden­lo­se, wenn es mal anders kommt. Es muss auch nicht immer die vol­le Wucht von Unglück sein, oft ist es ein­fach nur ein Unglück­lich­sein, mit oder auch ohne Grund. Weil das Leben halt so ist. Wer es zu ändern ver­su­chen will, soll es ver­su­chen.

Mich wun­dert, war­um Men­schen so viel vom Glück erwar­ten. Sinn ist viel wich­ti­ger.Zitat Ende

Wil­helm Schmid

Phi­lo­soph

Könn­te man Unglück ver­mei­den, wür­den die Men­schen das Ihrer Mei­nung nach über­haupt wol­len?

Unglück lässt sich am bes­ten ver­mei­den, indem man mor­gens gar nicht erst aus dem Bett steigt. Ich kann die Metho­de den­noch nicht guten Gewis­sens emp­feh­len, denn wenn man das zu lan­ge macht, ris­kiert man auf­grund kör­per­li­cher Schwä­che Kreis­lauf­pro­ble­me und letzt­lich einen Herz­in­farkt. Und dass auch bei aller Gesund­heit ganz am Ende das Leben endet, lässt sich bis­her auch nicht ändern.

Lässt sich sagen, was einen glück­li­chen Unter­neh­mer aus­macht? Wel­che Rol­le spielt Glück im Unter­neh­mer­tum?

Unter­neh­mer ris­kie­ren viel, nicht alles lässt sich sicher pla­nen. Glück­li­che Zufäl­le kom­men hof­fent­lich zuhil­fe. Es kön­nen lei­der auch unglück­li­che sein, ein klei­nes Virus zum Bei­spiel, das alles durch­ein­an­der­bringt.

Wel­chen Rat geben Sie Men­schen mit ins neue Jahr?

Wenn Sie sich etwas vor­neh­men, den­ken Sie dar­an, dass es mit dem Vor­satz nicht getan ist. Es braucht auch eine kon­kre­te Umset­zung, die mit klei­nen und kleins­ten Schrit­ten beginnt und etwas müh­sam ist, bis sich der Vor­satz all­mäh­lich ins Leben ein­bau­en lässt.

Zur Per­son
  • Wil­helm Schmid ist Phi­lo­soph mit dem Schwer­punkt auf dem Gebiet der Lebens­kunst­phi­lo­so­phie.
  • Er wur­de 1953 in Bil­len­hau­sen/­Baye­risch-Schwa­ben gebo­ren, seit 1980 lebt er in Ber­lin.
  • Nach dem Stu­di­um der Phi­lo­so­phie und Geschich­te lehr­te er an meh­re­ren Uni­ver­si­tä­ten. Zudem war er als „phi­lo­so­phi­scher Seel­sor­ger“ in Zürich tätig.
  • In sei­ner Arbeit setzt er sich mit den The­men Glück, Unglück, Lie­be oder Gelas­sen­heit aus­ein­an­der. 
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