Wirtschaftspsychologe Ingo Hamm rät Arbeitgebern dazu, Stellenbewerbern zu sagen, was sein wird, nicht was sein könnte. „Denn die Erfüllung der Arbeit liegt im Tun, nicht im Möglichen.“
Wirtschaftspsychologe Ingo Hamm rät Arbeitgebern dazu, Stellenbewerbern zu sagen, was sein wird, nicht was sein könnte. „Denn die Erfüllung der Arbeit liegt im Tun, nicht im Möglichen.“ © Julian Beekmann Fotografie
Ingo Hamm

„Erfül­lung in
der Arbeit liegt im Tun“

Ingo Hamm spricht im Interview über Sinn, Fachkräftemangel und blumige Aussagen.

23.12.2024 12:24 von Ines Tebenszky
Lesezeit 5 Minuten

Unter­neh­men soll­ten sich nicht hin­ter einer Welt­ret­tungs­an­schau­ung ver­ste­cken, ist Wirt­schafts­psy­cho­lo­ge Ingo Hamm über­zeugt. Denn nicht ein über­ge­ord­ne­ter Sinn brin­ge Erfül­lung, son­dern das Tun selbst.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Vie­le suchen gera­de in der jet­zi­gen Zeit nach Sinn in der Arbeit. Sie sagen, das sei Unsinn. War­um?

Ingo Hamm: Ich beschäf­ti­ge mich seit Jahr­zehn­ten mit Psy­cho­lo­gie und Phi­lo­so­phie und in bei­den Dis­zi­pli­nen hat Sinn nicht die­sen Stel­len­wert, wie es aktu­ell zu sein scheint. Wie kommt es dann, dass vie­le Unter­neh­men mit wohl­wol­len­den Slo­gans einen höhe­ren Sinn vor­ge­ben? Von vie­len Men­schen aus Unter­neh­men bekom­me ich Rück­mel­dun­gen, dass sie gar nicht wis­sen, für wel­chen Sinn das Unter­neh­men steht oder es für sie gar kei­ne Rol­le spielt. Dar­über hin­aus gibt es auch kei­ne brauch­ba­ren Hin­wei­se, dass die­ser höhe­re Sinn, auch Noble Pur­po­se genannt, moti­va­to­ri­sche Fähig­kei­ten hät­te.

Unter­neh­men müs­sen sich nicht die Sinn­fra­ge stel­len?

Genau. Unter­neh­men sol­len sich nicht hin­ter einer Welt­ret­tungs­an­schau­ung ver­ste­cken. Was ist schlecht dar­an, ein­fach nur markt­wirt­schaft­lich erfolg­reich sein zu wol­len? Wich­tig ist, dass die Auf­ga­ben den Mit­ar­bei­tern nicht als Befeh­le auf den Tisch geknallt wer­den, son­dern erklärt wird, wie nütz­lich ihr Bei­trag für das Ziel des Unter­neh­mens ist. Das ist eine schö­ne Füh­rungs­auf­ga­be.

Woher kommt denn die­se aus­ge­präg­te Suche nach Sinn im Leben oder in der Arbeit über­haupt?

Da gibt es im Wesent­li­chen zwei Grün­de: Zum einen suchen Mit­ar­bei­ter nach Erklä­run­gen für das, was sie machen, das sie aber nicht wirk­lich ger­ne machen. Zum ande­ren herrscht durch die Glo­ba­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung eine gro­ße Unsi­cher­heit bei Men­schen, die Arbeit suchen, weil sie sich fra­gen, ob es den Job in zehn Jah­ren über­haupt noch geben wird.

Was ist schlecht dar­an, ein­fach nur markt­wirt­schaft­lich erfolg­reich sein zu wol­len?Zitat Ende

Ingo Hamm

Wirt­schafts­psy­cho­lo­ge

Sind Sinn­ver­spre­chen auch eine Fol­ge des Fach­kräf­te­man­gels?

Ja. Unter­neh­men suchen hän­de­rin­gend nach Fach­kräf­ten, da wird jeder New-Work-Köder in den Teich gewor­fen, den es gibt. Frü­her waren es Fuß­ball­ti­sche, heu­te ist es der Sinn. Die Unter­neh­men den­ken, es wür­de wir­ken, doch sobald die Leu­te da sind, mer­ken sie, dass es eigent­lich ein ganz nor­ma­ler Job ist und wan­dern wie­der ab. Die­se New-Work-Ange­bo­te erset­zen die inne­re Moti­va­ti­on. Auf Dau­er funk­tio­niert die­se Moti­va­ti­on von außen aber nicht.

Wie soll­ten Unter­neh­men statt­des­sen agie­ren?

Statt den Mit­ar­bei­tern das War­um zu erklä­ren, soll­ten sie das Was erklä­ren. Eine Stel­len­an­zei­ge zu schal­ten, reicht dabei nicht. Man muss den Leu­ten rei­nen Wein ein­schen­ken und von blu­mi­gen Aus­sa­gen abse­hen. Neh­men Sie die Musik oder den Sport als Bei­spiel – da sind Scouts unter­wegs, es wer­den vie­le Gesprä­che geführt. Unter­neh­men den­ken oft, sie sei­en mit der Pro­be­zeit fein raus. Dabei ver­ges­sen sie, dass auch die Kan­di­da­ten die Pro­be­zeit nut­zen und machen dann gro­ße Augen, wenn die­se oft schnell wie­der weg sind.

Wird die­ses Best-Prac­ti­ce-Bei­spiel auch gelebt?

Es gibt durch­aus eini­ge Unter­neh­men, die die Suche nach pas­sen­den Mit­ar­bei­tern inten­si­ver betrei­ben und etwa Pro­be­ar­beits­ta­ge ver­ein­ba­ren, um her­aus­zu­fin­den, ob der Kan­di­dat zur Tätig­keit passt. Das ist auf­wen­di­ger, aber hilft bei­den Sei­ten.

Haben Sie noch einen Tipp?

Antoine de Saint-Exupé­ry hat gesagt: „Leh­re die Män­ner die Sehn­sucht nach dem wei­ten, end­lo­sen Meer.“ Das funk­tio­niert nicht, weil die Sehn­sucht nicht kon­kret ist. Der Polar­for­scher Ernest Shack­le­ton hat für sei­ne Expe­di­ti­on mit einer Stel­len­an­zei­ge Beglei­ter gesucht mit den Wor­ten: „Män­ner für wag­hal­si­ge Rei­se gesucht. Gerin­ge Löh­ne, extre­me Käl­te. (…) siche­re Heim­kehr unge­wiss. Ehre und Ruhm im Erfolgs­fal­le.“ Dar­auf­hin soll er 5000 Bewer­ber gehabt haben. Der Schlüs­sel liegt im Tun, denn da kann man zei­gen, was man drauf­hat und wird glück­lich damit.

Zur Per­son
  • Ingo Hamm ist Pro­fes­sor für Wirt­schafts­psy­cho­lo­gie an der Hoch­schu­le Darm­stadt.
  • Zuvor war er McK­in­sey-Bera­ter, arbei­te­te auf Kon­zern­sei­te und folg­te schließ­lich sei­nem for­sche­ri­schen Frei­heits­drang.
  • Hamm berät Orga­ni­sa­tio­nen bei der Umset­zung von Stra­te­gien und durch­leuch­tet als Autor und Red­ner aktu­el­le Trends für die ­Unter­neh­mens­pra­xis.
  • Er hat zahl­rei­che Fach­ar­ti­kel und Bücher publi­ziert. 
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