„Abschalten
macht erfolgreich“
Anitra Eggler spricht über digitale Auszeiten, Smartphone-Zombies und kostenlose Marketing-Armeen.
KI- und Digitalisierungsexpertin Anitra Eggler erklärt im Interview, warum digitale Auszeiten wichtiger denn je sind und verrät, wie man der Ablenkungsspirale entkommt.
„Kärntner Wirtschaft“: Warum sind digitale Auszeiten so wichtig?
Anitra Eggler: Digital abschalten zu können, ist wie bremsen beim Autofahren – es ist erfolgsentscheidend. Wer seinen Job liebt, ist gerne ständig erreichbar. Das brennt aus. Abschalten und auftanken hält fit.
Warum wird man durch das Eintreffen einer neuen Nachricht oder einer E‑Mail abgelenkt?
Fomo – also die Angst etwas zu verpassen – ist der Trigger, der uns dazu bringt, dass wir uns ständig auf etwas Neues stürzen und uns nicht fragen, ob es auch wirklich relevant ist. Jede neue Nachricht löst im Gehirn einen Dopamin-Kick aus. Das Gehirn denkt: Könnte es etwas Schönes sein oder vielleicht etwas Schreckliches? Also schauen wir nach. Genau so rutschen wir in die Ablenkungsspirale. Ein kurzer Check wird zur endlosen Scroll-Session – und plötzlich ist die Zeit weg. Mittlerweile werden wir alle zwei bis vier Minuten durch E‑Mails oder Nachrichten abgelenkt. Diese Dauerablenkung killt Produktivität, erschöpft und bringt niemandem etwas – außer denen, die Ablenkung verkaufen, um unsere Daten zu kapitalisieren. Mittlerweile gibt es einen Fachbegriff für die Endstufe von ungebremster Nutzung von Smartphone und Social-Media: digitaler Burnout.
Wie entkommt man dieser Ablenkungsspirale?
Vergesst Fomo! Lehnt euch zurück und fragt euch, ob die Nachricht nur neu ist oder für euch wirklich von Relevanz ist. Bei Social Media fragt euch, was ihr für die investierte Lebenszeit zurück bekommt? Machen euch die Inhalte glücklich? Verdichtet es eure Lebenszeit? Jomo – joy of missing out –, also die Freude, jetzt alles zu verpassen, was nicht für mich relevant ist, ist das Gebot der Stunde.
Welche Rolle spielt KI dabei?
Die Entwicklung der KI schreitet in Schallgeschwindigkeit voran. Wir können uns jetzt neu definieren. Es gibt viele neue Möglichkeiten. Sowohl für die, die eher abschalten möchten, als auch für die, die voll technologisch unterwegs sein möchten. Nichts bleibt, wie es war und alles wird, was wir daraus machen. Jeder sollte sich daher die Frage stellen: Wohin möchte ich mich entwickeln?
Wer die Zukunft gestalten will, muss zuerst die Gegenwart meistern.
Anitra Eggler
KI- und DigitalisierungsexpertinDigital Detox beginnt oft mit kleinen Veränderungen. Was würden Sie jemandem raten, der seine Bildschirmzeit reduzieren möchte?
Digital-Detox-Tipp Nummer eins: Priorisiert euch selbst! Lade deinen Lebensakku genauso häufig, wie du dein Handy lädst. Fragt euch: Was gibt mir Energie? Eine einfache Möglichkeit: Geht raus in die Natur, atmet durch, umarmt einen Baum – klingt simpel, wirkt aber. Zuhause helfen handyfreie Zonen. Esst ohne Smartphone in der Hand. Und vor allem: Lernt, die handyfreie Zeit zu genießen.
Wie lässt sich eine gesunde Screen-Life-Balance im Gastgewerbe umsetzen, ohne Gästen das Gefühl zu geben, auf digitale Annehmlichkeiten verzichten zu müssen?
Heute verbringen Gäste im Restaurant oder im Urlaub oft mehr Zeit mit ihren Smartphones als in der echten Welt. Für den Tourismus bedeutet das: Wir müssen Erlebnisse schaffen, die einerseits „instaworthy“ sind – und gleichzeitig solche, die die Gäste zurück ins Hier und Jetzt holen. Beides ist entscheidend: das Beste der analogen Welt – echte Menschlichkeit und purer Lebensgenuss – kombiniert mit den Möglichkeiten moderner Technologie. Als Gastgeber geht es darum, Erlebnisse zu bieten, die so fesselnd sind, dass der Gast sein Handy vergisst. Eine Idee? Essen im Dunkeln – das ist ein maximal sinnliches Erlebnis und keiner kommt in Versuchung sein Essen zu fotografieren. Denn wahre Erholung beginnt da, wo wir uns wirklich auf den Moment einlassen – denn „Offtime“ ist der neue Luxus.
Sie sehen Gäste nicht nur als Konsumenten, sondern auch als kostenlose Mitarbeiter. Was meinen Sie damit?
In Restaurants und Hotels sieht man überall Smartphonezombies – Menschen, die auf ihre Smartphones starren. Man kann das aus zwei Perspektiven betrachten: Verpassen meine Gäste gerade ihr Leben oder arbeiten sie gerade als meine kostenlosen Marketing-Mitarbeiter, indem sie ihr Essen fotografieren? Jeder Gast ist eine Marketingmaschine.
- Anitra Eggler wurde 1973 in Karlsruhe geboren. Mittlerweile lebt sie in der Schweiz.
- Ihre Karriere als Journalistin begann sie in Buenos Aires, Argentinien, als Todesanzeigentexterin.
- 2011 startete sie als Digital-Therapeutin durch.
- Heute ist die KI- und Digitalisierungsexpertin eine gefragte Vortragsrednerin, Podcasterin und Autorin.
- Kostenfreie Tipps und E‑Books: anitra-eggler.com