Die ungebremste Nutzung von Social Media führt zum digitalen Burnout, weiß Anitra Eggler.
Die ungebremste Nutzung von Social Media führt zum digitalen Burnout, weiß Anitra Eggler. © Michael Pinzolits Fotografie
Anitra Eggler

„Abschal­ten
macht erfolg­reich“

Anitra Eggler spricht über digitale Auszeiten, Smartphone-Zombies und kostenlose Marketing-Armeen.

31.03.2025 13:12 - Update am: 03.04.2025 07:34 von Corina Thalhammer
Lesezeit 7 Minuten

KI- und Digi­ta­li­sie­rungs­exper­tin Ani­tra Eggler erklärt im Inter­view, war­um digi­ta­le Aus­zei­ten wich­ti­ger denn je sind und ver­rät, wie man der Ablen­kungs­spi­ra­le ent­kommt.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: War­um sind digi­ta­le Aus­zei­ten so wich­tig?

Ani­tra Eggler: Digi­tal abschal­ten zu kön­nen, ist wie brem­sen beim Auto­fah­ren – es ist erfolgs­ent­schei­dend. Wer sei­nen Job liebt, ist ger­ne stän­dig erreich­bar. Das brennt aus. Abschal­ten und auf­tan­ken hält fit.

War­um wird man durch das Ein­tref­fen einer neu­en Nach­richt oder einer E‑Mail abge­lenkt?

Fomo – also die Angst etwas zu ver­pas­sen – ist der Trig­ger, der uns dazu bringt, dass wir uns stän­dig auf etwas Neu­es stür­zen und uns nicht fra­gen, ob es auch wirk­lich rele­vant ist. Jede neue Nach­richt löst im Gehirn einen Dopa­min-Kick aus. Das Gehirn denkt: Könn­te es etwas Schö­nes sein oder viel­leicht etwas Schreck­li­ches? Also schau­en wir nach. Genau so rut­schen wir in die Ablen­kungs­spi­ra­le. Ein kur­zer Check wird zur end­lo­sen Scroll-Ses­si­on – und plötz­lich ist die Zeit weg. Mitt­ler­wei­le wer­den wir alle zwei bis vier Minu­ten durch E‑Mails oder Nach­rich­ten abge­lenkt. Die­se Dau­er­ab­len­kung killt Pro­duk­ti­vi­tät, erschöpft und bringt nie­man­dem etwas – außer denen, die Ablen­kung ver­kau­fen, um unse­re Daten zu kapi­ta­li­sie­ren. Mitt­ler­wei­le gibt es einen Fach­be­griff für die End­stu­fe von unge­brems­ter Nut­zung von Smart­phone und Social-Media: digi­ta­ler Burn­out.

© Micha­el Pin­z­o­lits Foto­gra­fie

Wie ent­kommt man die­ser Ablen­kungs­spi­ra­le?

Ver­gesst Fomo! Lehnt euch zurück und fragt euch, ob die Nach­richt nur neu ist oder für euch wirk­lich von Rele­vanz ist. Bei Social Media fragt euch, was ihr für die inves­tierte Lebens­zeit zurück bekommt? Machen euch die Inhal­te glück­lich? Ver­dich­tet es eure Lebens­zeit? Jomo – joy of miss­ing out –, also die Freu­de, jetzt alles zu ver­pas­sen, was nicht für mich rele­vant ist, ist das Gebot der Stun­de.

Wel­che Rol­le spielt KI dabei?

Die Ent­wick­lung der KI schrei­tet in Schall­ge­schwin­dig­keit vor­an. Wir kön­nen uns jetzt neu defi­nie­ren. Es gibt vie­le neue Mög­lich­kei­ten. Sowohl für die, die eher abschal­ten möch­ten, als auch für die, die voll tech­no­lo­gisch unter­wegs sein möch­ten. Nichts bleibt, wie es war und alles wird, was wir dar­aus machen. Jeder soll­te sich daher die Fra­ge stel­len: Wohin möch­te ich mich ent­wi­ckeln?

Wer die Zukunft gestal­ten will, muss zuerst die Gegen­wart meis­tern.Zitat Ende

Ani­tra Eggler

KI- und Digi­ta­li­sie­rungs­exper­tin

Digi­tal Detox beginnt oft mit klei­nen Ver­än­de­run­gen. Was wür­den Sie jeman­dem raten, der sei­ne Bild­schirm­zeit redu­zie­ren möch­te?

Digi­tal-Detox-Tipp Num­mer eins: Prio­ri­siert euch selbst! Lade dei­nen Lebens­ak­ku genau­so häu­fig, wie du dein Han­dy lädst. Fragt euch: Was gibt mir Ener­gie? Eine ein­fa­che Mög­lich­keit: Geht raus in die Natur, atmet durch, umarmt einen Baum – klingt sim­pel, wirkt aber. Zuhau­se hel­fen han­dy­freie Zonen. Esst ohne Smart­phone in der Hand. Und vor allem: Lernt, die han­dy­freie Zeit zu genie­ßen.

© Micha­el Pin­z­o­lits Foto­gra­fie

Wie lässt sich eine gesun­de Screen-Life-Balan­ce im Gast­ge­wer­be umset­zen, ohne Gäs­ten das Gefühl zu geben, auf digi­ta­le Annehm­lich­kei­ten ver­zich­ten zu müs­sen?

Heu­te ver­brin­gen Gäs­te im Res­taurant oder im Urlaub oft mehr Zeit mit ihren Smart­phones als in der ech­ten Welt. Für den Tou­ris­mus bedeu­tet das: Wir müs­sen Erleb­nis­se schaf­fen, die einer­seits „insta­wor­t­hy“ sind – und gleich­zei­tig sol­che, die die Gäs­te zurück ins Hier und Jetzt holen. Bei­des ist ent­schei­dend: das Bes­te der ana­lo­gen Welt – ech­te Mensch­lich­keit und purer Lebens­ge­nuss – kom­bi­niert mit den Mög­lich­kei­ten moder­ner Tech­no­lo­gie. Als Gast­ge­ber geht es dar­um, Erleb­nis­se zu bie­ten, die so fes­selnd sind, dass der Gast sein Han­dy ver­gisst. Eine Idee? Essen im Dun­keln – das ist ein maxi­mal sinn­li­ches Erleb­nis und kei­ner kommt in Ver­su­chung sein Essen zu foto­gra­fie­ren. Denn wah­re Erho­lung beginnt da, wo wir uns wirk­lich auf den Moment ein­las­sen – denn „Off­t­i­me“ ist der neue Luxus.

Sie sehen Gäs­te nicht nur als Kon­su­men­ten, son­dern auch als kos­ten­lo­se Mit­ar­bei­ter. Was mei­nen Sie damit?

In Restau­rants und Hotels sieht man über­all Smart­phone­zom­bies – Men­schen, die auf ihre Smart­phones star­ren. Man kann das aus zwei Per­spek­ti­ven betrach­ten: Ver­pas­sen mei­ne Gäs­te gera­de ihr Leben oder arbei­ten sie gera­de als mei­ne kos­ten­lo­sen Mar­ke­ting-Mit­ar­bei­ter, indem sie ihr Essen foto­gra­fie­ren? Jeder Gast ist eine Mar­ke­ting­ma­schi­ne.

Zur Per­son
  • Ani­tra Eggler wur­de 1973 in Karls­ru­he gebo­ren. Mitt­ler­wei­le lebt sie in der Schweiz.
  • Ihre Kar­rie­re als Jour­na­lis­tin begann sie in Bue­nos Aires, Argen­ti­ni­en, als Todes­anzeigentexterin.
  • 2011 star­te­te sie als Digi­tal-The­ra­peu­tin durch.
  • Heu­te ist die KI- und Digi­ta­li­sie­rungs­exper­tin eine gefrag­te Vor­trags­red­ne­rin, Pod­cas­te­rin und Autorin.
  • Kos­ten­freie Tipps und E‑Books: ani​tra​-eggler​.com
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