Volker Busch
„Etwas Neues entwickeln oder entdecken kann man nur, wenn man die ausgetretenen Pfade verlässt“, macht Volker Busch Mut zur Veränderung. © Dietmar Wajand
Volker Busch

„Ver­än­de­rung ist das größ­te Geschenk“

Gewohnheiten und Ängste stehen Veränderungen häufig im Weg. Warum diese aber wichtig sind und auf das Gehirn wie ein Jungbrunnen wirken, weiß Neurowissenschaftler und Facharzt Volker Busch.

02.04.2024 15:49 - Update am: 14.06.2024 19:07 von Ines Tebenszky
Lesezeit 5 Minuten

Kärnt­ner Wirt­schaft“: ­War­um ist es häu­fig so schwie­rig, Ver­än­de­run­gen anzu­neh­men oder sich selbst zu ver­än­dern?

Vol­ker Busch: Wir kön­nen uns alle ver­än­dern, doch obwohl wir das kön­nen, ist der Wan­del nicht sehr beliebt. Jeder will zwar schlank sein, aber nie­mand will schlank wer­den. Wich­tig, damit Ver­än­de­rung funk­tio­niert, ist also, dass der Weg attrak­tiv ist. Gewohn­hei­ten und Ängs­te ste­hen aber wie Hür­den bei einem Lauf im Weg.

War­um nei­gen wir denn zu ­Gewohn­hei­ten?

Gewohn­hei­ten len­ken das Leben, nicht unser Ver­stand. Denn das Den­ken braucht Zeit und Ener­gie, des­halb spa­ren vie­le dar­an. Wir haben rund 90 Mil­li­ar­den Ner­ven­zel­len, die mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren. Tun wir etwas immer wie­der, etwa Zäh­ne­put­zen, wer­den die­se Ver­bin­dun­gen struk­tu­rell ver­stärkt und zu einem rich­ti­gen Tram­pel­pfad aus­ge­baut – je öfter wir ihn nut­zen, des­to brei­ter wird er. Mit jeder Wie­der­ho­lung erhö­hen wir zudem die Wieder­holungswahrscheinlichkeit, eine Ver­än­de­rung der Gewohn­hei­ten fällt des­halb zumin­dest zunächst ein­mal schwer. Im All­tag sind wir des­halb auch oft Opfer unse­rer Gewohn­hei­ten.

Volker Busch © Diet­mar Wajand

Der Mensch kann den­ken und han­deln, aber nur wer han­delt, kommt vor­wärts. Zitat Ende

Vol­ker Busch

Neu­ro­wis­sen­schaft­ler, Fach­arzt

Wie kann es gelin­gen, die Tram­pel­pfa­de der Gewohn­hei­ten zu über­win­den?

Auch wenn unser Gehirn uns vor Ver­än­de­run­gen warnt – es geht trotz­dem, wir müs­sen nur den Impuls über­win­den, es wie­der wie gewohnt zu machen. Das fühlt sich komisch an, aber klar ist: Wir entde­cken oder ent­wi­ckeln nur dann Neu­es, wenn wir die aus­ge­tre­te­nen Pfa­de ver­las­sen.

Kann man Gewohn­hei­ten über­haupt redu­zie­ren?

Ich wen­de dazu eine eige­ne Tech­nik an und nen­ne es den Revo­lu­ti­ons­tag. An die­sem Tag mache ich alles anders als sonst: Ich höre Musik, die ich sonst nicht höre, pro­bie­re neue Spei­sen aus, las­se das Han­dy weg und spre­che Per­so­nen an, die ich nicht ken­ne. Für unser Gehirn ist die größ­te Sti­mu­lanz die Über­ra­schung, denn sie setzt unse­re Syn­ap­sen neu zusam­men. Leu­te, die die­se Tech­nik anwen­den, neh­men immer etwas davon mit, es öff­nen sich neue Türen.

Was pas­siert in den Köp­fen von Mit­ar­bei­tern, wenn sie mit Ver­än­de­rungs­maß­nah­men kon­fron­tiert sind?

Dazu gibt es eine Stu­die, die zwei Grup­pen über 17 Jah­re beglei­tet hat: Die eine Grup­pe hat in die­ser Zeit immer das Glei­che getan, die ande­re muss­te sich stän­dig neu erfin­den. Die Stu­die hat belegt, dass Ver­än­de­run­gen unter ande­rem das Wachs­tum neu­er Ner­ven­zel­len aus­lö­sen, Denk­ge­schwin­dig­keit und Gedächt­nis­leis­tung höher sind, eben­so wie Hand­lungs­pla­nung und ‑kon­trol­le, Feh­ler­er­ken­nung und Ent­schei­dungs­fin­dung. Wich­tig ist also in mei­nen Augen das Nar­ra­tiv: Wir müs­sen weg von „wir müs­sen uns ver­än­dern“ hin zu „wir dür­fen uns ver­än­dern“. Geis­tige Auf­ga­ben, an denen man wächst, för­dern unser Gehirn und das wirkt wie ein Jung­brun­nen

Wel­che Rol­le spielt die Angst vor Ver­än­de­run­gen?

Unse­re Amyg­da­la, ein Teil unse­res Gehirns, warnt uns immer vor Neu­em und prüft auf Gefah­ren. Das ist grund­sätz­lich wich­tig, um Gefah­ren recht­zei­tig zu erken­nen und ihnen aus dem Weg zu gehen, steht aber Ver­än­de­run­gen häu­fig im Weg. Es ist in uns, dass wir zuerst das Nega­ti­ve sehen – bei Unsi­cher­heit oder Angst über­schät­zen wir aber das Nega­ti­ve. Immer wenn Ängs­te auf­tre­ten, soll­ten wir uns also fra­gen: Was kann ich jetzt machen, um etwas zu ver­bes­sern?

Gewohn­hei­ten und Ängs­te zu über­win­den, zahlt sich dem­nach aus?

Unbe­dingt. Wir pro­fi­tie­ren, wenn wir uns Ver­än­de­run­gen stel­len, denn Ver­än­de­run­gen sind das größ­te Geschenk – nicht nur, weil sie unser Gehirn för­dern. Der Mensch kann den­ken und han­deln, aber nur wer han­delt, kommt vor­wärts.

Vol­ker Busch

Vol­ker Busch ist ­Fach­arzt für Neu­ro­lo­gie, Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie in Regens­burg, Red­ner, Trai­ner und Bera­ter. Als Lei­ter der Arbeits­ge­mein­schaft „Psy­cho­so­zia­ler Stress und Schmerz“ erforscht er emo­tio­na­le Aspek­te der Wahr­neh­mung und Reiz­ver­ar­bei­tung bei Men­schen mit Depres­si­on oder Stress­er­kran­kun­gen. 2020 erhielt er die Pro­fes­sur für Psych­ia­trie an der Uni­ver­si­tät Regens­burg. Er ist Autor meh­re­rer ­Bücher, dar­un­ter „Kopf frei!“, und hat den Pod­cast ­„Gehirn gehört“.

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